Auf der Website zur Kampagne „Gut leben in Deutschland“, deren Adresse die Kanzlerin im aktuellen Video-Interview mit LeFloid fälschlicherweise mit „gutleben.de“ angibt, ist zu lesen: „LeFloid hat Angela Merkel am Freitag Fragen der Netzgemeinde gestellt. Er sprach mit der Kanzlerin darüber, was jungen Menschen in Deutschland wichtig ist.“ Und man möchte ergänzen: „Und die Kanzlerin hat gezeigt, wie egal ihr das ist.“
Ich habe zum Ergebnis der Regierungskampagne #NetzFragtMerkel in meiner WIRED-Kolumne geschrieben, möchte aber an dieser Stelle noch ein paar zusätzliche Gedanken loswerden.
Zum Beispiel zur enormen Fehleinschätzung des Themas „Social Media“ durch die Kanzlerin. Sie probiere immer mal wieder Neues, wolle aber ihr Privatleben vom beruflichen trennen, sagt sie. Und dafür hat sicher die gesamte Nation Verständnis, für private Fotos von der Kanzlerin dürfte sich kaum jemand interessieren.
Für wenigstens den Ansatz eines Kommunikationsversuchs auf Augenhöhe hingegen schon. Wenn sich Barack Obama mit YouTuberInnen unterhält, dann spricht er tatsächlich mit ihnen. Er erklärt Positionen, politische Abläufe und Herausforderungen und schafft es dabei, Floskeln zu vermeiden. Er macht zumindest den Anschein, als würde er zuhören und sich für sein Gegenüber und die Fragen interessieren. Aber Angela Merkel kann das beides gar nicht. Sie reagiert auf die von LeFloid vorgetragenen Fragen nicht ein einziges Mal mit auch nur gespieltem Interesse, dabei hätte es an diesen Stellen spannend werden können.
Warum wollen denn Menschen überhaupt die Freigabe von Marihuana, geht das vielleicht über den Wunsch hinaus, legal breit sein zu dürfen (oder warum ist dieser Wunsch vielleicht nicht so unwichtig, wie man glauben könnte)? Welche Herausforderungen sieht die Kanzlerin dabei, warum ist sie grundsätzlich dagegen? Welche Sorgen haben die Menschen, die nach dem Umgang der Bundesregierung mit der NSA fragen? Wieso gilt in Sachen Gleichstellung bei der Ehe Merkels Meinung mehr als die der Umfragen, wo also glaubt sie, macht „das Volk“ einen Denkfehler?
Die zusätzliche Chance, bei LeFloid als Vertreter genau der Generation, welche die Kanzlerin mit solchen Aktionen angeblich erreichen will, zurückzufragen, mehr zu erfahren darüber, wie diese Generation „tickt“, genau darum ginge es bei der Nutzung von Sozialen Medien wie in diesem Fall. Aber die Bundeskanzlerin interessiert das alles nicht, sie sieht die neuen Medien als Erweiterung der alten und bleibt beim Top-Down-Ansatz. Die Möglichkeit, dass sie selbst einen Nutzen aus den neuen Formaten ziehen könnte, indem sie nämlich Zugang zu direkten Stimmen aus der Bevölkerung erhält, existiert gar nicht erst. Neugier? Nö. Social Media ist für die Kanzlerin nichts als ein weiterer Einweg-Kanal, um ihre Botschaft und ihre Meinung zu verkünden. Und das ist nichts anderes als erschütternd.
Angela Merkel zuckt nicht einmal mit der Augenbraue, wenn sie hört, dass viele junge Menschen anscheinend ein Problem mit dem aktuellen Bildungssystem haben. Sie lacht nur kurz, als LeFloid berichtet, dass man mit einem Abi aus Brandenburg keine Chance an einer Münchner Uni habe, sieht darin aber offenbar keine Herausforderung für ihre Politik, die sich auf Bundesebene aus solchen Fragen heraushält.
Es sind Momente wie diese, die zeigen, wie lächerlich die Hoffnung auf eine „Kanzlerin im Dialog“ ist. Es bleibt beim Monolog. Und das genügt einfach nicht.