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Florian Mehnert: 11 Tage #savetherat [Update]

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11tage_cam

UPDATE Das Experiment wurde beendet. Von der Website der Aktion:

Das Kunstexperiment “11 Tage” hat erfolgreich sein Ziel erreicht und wurde am 17. März 2015 um 19:00 Uhr (CET) beendet. Die Ratte lebt und hat die Installation verlassen. Es war für die künstlerische Aussage des Experiments niemals vorgesehen die Möglichkeit des Schiessens auf die Laborratte wirklich zu eröffnen.

Es ist in der Tat ein radikales Experiment. Per Webcam überträgt der Künstler Florian Mehnert zur Zeit die Live-Aufnahmen einer Laborratte in einem Behälter. Am 24. März 2015 soll eine Waffe scharf gestellt werden, mit der die Zuschauer die Ratte via Internet erschießen können, als würden sie einen First-Person-Shooter steuern, bei dem nicht ein Pixelgebilde, sondern ein lebendiges Tier getroffen wird.

“Ich will den Leuten drastisch vor Augen führen: Man kann über das Internet töten. Das ist kein Schreckensszenario, sondern längst Realität”, sagt der Künstler im oben verlinkten Beitrag der SZ und hat damit recht. Das, was dieser Ratte passieren könnte, passiert regelmäßig Menschen. Sie werden mittels Fernbedienung getötet.

11tage_votingAktuelles Voting auf der Website des Künstlers

Ich bezweifle, dass Mehnert das Tier wirklich sterben lassen wird. Ich glaube, dass er den Abschuss, der garantiert passieren wird (diese Gewissheit ist so grausam wie sicher, selbst wenn derzeit 62% der Abstimmenden dagegen sind), zwar registrieren und dokumentieren wird, doch er wird die Ratte nicht töten. Vielleicht wird der Klick auf den entsprechenden Button auf der Website nicht einmal einen echten Schuss auslösen, der schließlich auch den ganzen Behälter zerstören würde. Da es ungewiss ist, ob der erste Schuss auch wirklich trifft, könnte es eher zu einem merkwürdigen Geballer als zum Tod der Ratte führen. Außerdem glaube ich nicht, dass das Vorhaben des Künstlers legal ist. Und letztendlich schafft der Server der Aktion bisher kaum ein paar hundert Zugriffe, am 24. März wird er also vermutlich zusammenbrechen, wenn nicht – pardon the expression – nachgerüstet wird.

Doch egal, ob ich recht habe oder nicht: darum geht es nicht. Ich finde die Aktion grandios. Nicht, weil ein Tier sterben könnte, sondern weil sie haargenau das erreicht, was sie erreichen will. Es entsteht eine Debatte, in erster Linie wird dabei der Künstler attackiert – nicht etwa die Menschen, die den Schuss abfeuern werden. [Edit: Dennoch ist es nachvollziehbar, dass man den “Befehlsgeber” angreift.]

Und sogar eine Petition gegen die Aktion gibt es.

Nur über Alternativen spricht bisher kaum jemand, und ich konnte bisher nichts finden, das auf aktives Verhindern der Erschießung … zielt.

Die vielleicht schlimmste Erkenntnis aus den Reaktionen zur Aktion bisher ist: Wir nehmen offenbar so langsam alles einfach als gegeben hin, als Autorität genügt ein Künstler. Dieser startet eine Kunstaktion, bei der ein Mord stattfinden kann, und wir schelten ihn dafür, debattieren darüber, ob das gut oder schlecht ist, wir stimmen mit einem Klick darüber ab, wie wir den Ausgang der Aktion gerne hätten, wir reichen Online-Petitionen gegen das Vorhaben ein. Statt das einzig Richtige zu tun und die Erschießung des Tiers zu verhindern.

Was in diesem Fall recht leicht sein sollte. Es kann technisch passieren durch Serverattacken, die den gesamten Mechanismus außer Kraft setzen, oder durch anderes Aushebeln des Systems – es gelingt versierten Menschen täglich, viel besser gesicherte Systeme zu hacken, das sollte ja hier wohl ein Kinderspiel sein (wäre aber u.U. illegal, dieser Hinweis muss sein). Solange kein Zugriff auf die Waffe besteht, kann das Tier nicht ferngesteuert getötet werden.

Eine weitere Alternative wäre es, den Standort des Experiments herauszufinden und es physisch zu sabotieren. Auch hier gilt: Ich schlage keineswegs vor, in Häuser einzubrechen oder sich anders an illegalen Handlungen zu beteiligen. Es geht noch immer um eine Kunstaktion.

Doch es ist Fakt: Diese Ratte muss keineswegs getötet werden, ein paar wenige Leute können sie retten.

Wie schön es doch wäre, wenn das für zur ferngesteuerten Erschießung freigegebene Menschen auch gelten würde.

Ein mir die ganze Zeit im Kopf herumgehendes Wortspiel mit “ART” und “RAT” konnte ich nun doch nicht unterbringen, weil mir kein gutes eingefallen ist. Mist.

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